Sabine Felgenhauer-Schmiedt, Mittelalterarchäologie in Ostösterreich
Zusammenfassung
Die Forschungsgeschichte der Mittelalterarchäologie in Ostösterreich wird in fünf ineinandergreifenden Phasen, beginnend mit vor allem burgenkundlichen Interessen im 19. Jahrhundert, dargestellt. Von essentieller Bedeutung für die Entfaltung des Faches war die in den späten 1960er-Jahren beginnende Einbindung am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien. Ein weiterer spürbarer Aufschwung ist dann seit den 1990er-Jahren festzustellen, mit Vertiefung in Forschung und Lehre als eigenständiger Ausbildungszweig innerhalb des Instituts. Seit einigen Jahren wurde das Forschungsgebiet bis in die allerjüngste Neuzeit ausgedehnt. Die neuen digitalen Möglichkeiten und die Ausweitung der Fragestellungen in einem immer weiter gespannten Feld überwinden die Grenzen der althergebrachten Fächer und lassen diese in vielfältiger und noch lange nicht ausgeschöpfter Weise kommunizieren.
Summary
The research history of Medieval Archaeology in Eastern Austria is presented in five interlocking phases, beginning with the interest in castles during the 19th century. The involvement of the Institut für Ur- und Frühgeschichte (Institute for Pre- and Early History) at Vienna University in the late 1960s was of crucial importance to the development of the subject. A further impetus came in the 1990s, as research and teaching intensified and Medieval Archaeology developed as a distinct part of education within the institute. During the last few years the research agenda has been extended up to and including the recent past. The new digital possibilities and the extension of research objectives to wider fields are bursting the boundaries of the traditional academic disciplines, allowing them to communicate in new ways, which have yet to be fully explored.
Harald Stadler, Zum Stand der Mittelalterarchäologie in Westösterreich (Tirol und Vorarlberg) nach 2005
Zusammenfassung
In dem Beitrag, der keine Vollständigkeit anstrebt, wird der Stand der Mittelalterarchäologie in Westösterreich (Tirol und Vorarlberg) von 2005 bis 2013 zusammengefasst. Die wesentlichen Arbeiten und Ergebnisse von Institutionen wie Universität, Museen, Stadtarchäologie, Denkmalpflege, Bauforschern und Grabungsfirmen werden kurz besprochen, Defizite (Unterwasserarchäologie) und Verbesserungsvorschläge (Universitätskurse zur Restaurierung von historischen Kachelöfen) problematisiert. Der Bogen umspannt Burgen, Städte, Kirchen, Bergbau, Gerichtsstätten, Almwirtschaft, Bekleidungs- und Textilforschung, Friedhöfe, Befunde und Funde im Gletscher bis hin zur Numismatik. Eine umfassende Literaturliste der nach 2005 erschienenen Publikationen beschließt den Beitrag.
Summary
This paper, while not presuming to include everything, looks at the development of medieval archaeology in western Austria (Tyrol and Vorarlberg) between 2005 and 2013. The most important studies and results from institutions such as the university, museums, urban archaeology, the heritage service, buildings archaeologists and archaeological contactors are discussed, but deficits (underwater archaeology) are also dealt with and suggestions made (university courses in the restoration of historic tiled stoves). The paper ranges over castles, towns, churches, mining, execution sites, the alpine pastoral economy, clothing and textile research, cemeteries, findings and finds from glaciers, and numismatics. It closes with a comprehensive list of all relevant publications since 2005.
Manfred Lehner, Mittelalterarchäologie in Südösterreich heute
Zusammenfassung
In den letzten dreißig Jahren hat sich in Kärnten und der Steiermark so etwas wie ein mittelalterarchäologischer Forschungsstand überhaupt erst entwickelt. In beiden Bundesländern gibt es bis heute keine Institutionen oder Einzelpersonen, die sich ausschließlich mit Historischer Archäologie beschäftigen können. So waren es Mitte der 1980er-Jahre vor allem das Bundesdenkmalamt und die Landesmuseen, die die Wiener Anregungen der damals jungen Disziplin aufgenommen haben. Durch die archäologische Betreuung von Burgenrestaurierungen, den Kirchenrenovierungsboom um 2000 und die Grazer Aktivitäten im Vorfeld der Kulturhauptstadt 2003 entwickelte sich fast notgedrungen eine regionale Expertise, die sich in einer stetig steigenden einschlägigen Publikationstätigkeit niederschlug. In der Frühmittelalterforschung, in der Kirchen- und Klosterarchäologie und in der Grazer und Villacher Stadtarchäologie sind auch überregional bedeutsame Ergebnisse erzielt worden. Die personal- und geldintensive Burgenarchäologie hingegen ist noch zu sehr in der Erforschung von Einzelobjekten verhaftet und kommt zu selten über die Stufe der Grabungsvorberichte hinaus. Einen (fast) weißen Fleck stellt nach wie vor die Dorfkern- und Wüstungsarchäologie dar. In jedem Fall haben die archäologischen Quellen aber das von der historischen Forschung festgeschriebene Bild des südösterreichischen Mittelalters nachhaltig bereichern können.
Summary
In southern Austria (Carinthia and Styria), something like a “state of research” in medieval archaeology has only developed during the last three decades. To date, there is no institution or individual scientist in either region dealing exclusively with historical archaeology. Thus, in the mid-1980s, it was largely left to the federal monuments agencies and the regional museums to pick up on the suggestions made by the Viennese exponents of this young discipline. Archaeological supervision of castles’ revitalization, numerous churches restored around 2000 and activities in preparation for the European Capital of Culture in Graz 2003 necessarily created a regional expertise base, which was reflected in an increasing amount of pertinent publications. Significant results have been achieved especially for the Early Middle Ages and in the archaeology of churches, monasteries and urban centres (Graz, Villach). The time-intensive and expensive field of castle archaeology, however, is still stuck in the investigation of single sites; only a few have yielded more than preliminary reports. Next to nothing is known about the archaeology of medieval hamlets, small towns and deserted villages. Nevertheless, the ongoing exploitation of archaeological sources has been able to effectively enrich our picture of the Carinthian and Styrian Middle Ages, a picture which had previously been frozen by the state of historical research.
Martin Krenn, Mittelalterarchäologie und Denkmalpflege in Österreich
Zusammenfassung
Die archäologische Denkmalpflege hat in den letzten beiden Jahrzehnten in Österreich einen massiven Strukturwandel zu verzeichnen. Immer größere Flächen werden durch Straßenbauten, Industrieanlagen oder Siedlungsareale erschlossen und naturgemäß werden immer mehr archäologische Fundstellen durch diesen Bedarf bedroht oder vernichtet. Zusätzlich kamen in diesen Jahrzehnten auch weitere Aufgaben für die Denkmalpflege hinzu, so etwa die Gartenarchäologie, die Neuzeitarchäologie oder die zeithistorische Archäologie. Schwerpunktmäßig entwickelte sich die Archäologie des Mittelalters und der frühen Neuzeit überproportional stark. Waren vor 20 Jahren Untersuchungen in diesem Rahmen noch Ausnahmen, so umfasst dieser Bereich derzeit nahezu 50 % der denkmalpflegerischen Aufgabenstellungen. Mit dem vorliegenden Beitrag soll der Versuch unternommen werden, der Entwicklung seit dem Jahr 2000 nachzugehen und hier Trends und Entwicklungen sowie daraus resultierende Fragestellungen aufzuzeigen.
Summary
The care and protection of archaeological monuments has gone through enormous structural change in the last two decades. Increasingly larger areas have been opened up for road building, industrial sites and housing developments, necessarily meaning that more and more sites of archaeological interest have been threatened or destroyed. Additionally, new fields such as garden archaeology, post-medieval archaeology and the archaeology of the recent past have emerged and been taken on board by the monuments service. The archaeology of the medieval and early modern periods has developed particularly quickly. Research in these areas was an exception twenty years ago, but now takes up almost 50 % of all the monuments service’s activities. This paper aims to trace the path of change since 2000 and to reveal trends and developments, as well as the issues which have emerged as a result.
Alice Kaltenberger, Keramikforschung des Mittelalters und der Frühen Neuzeit in Österreich. Ein Wegweiser in verschiedene soziale Lebenswelten
Zusammenfassung
Nach den Anfängen der Keramikforschung im beginnenden 20. Jahrhundert durch Sammler und später Volkskundler hat sich die archäologische Keramikbearbeitung in den letzten 40 Jahren etabliert und innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte stark gewandelt. Es hat sich ein breites Forschungsfeld entwickelt, das nunmehr die Bereiche der Bodenforschung mit der Datierung eines Fundplatzes genauso umfasst wie die Herstellung von Keramik und das damit verbundene historische Handwerk in all seinen Facetten. Der Gebrauch und die heute nur noch zum Teil erschließbaren Funktionen lassen kulturhistorische Aussagen zum Milieu und dem sozialen Status der Verbraucher zu. Analog zur Bodendenkmalpflege deckt sie nunmehr auch chronologisch den Rahmen bis in die jüngste Neuzeit ab. Heute ist es das Ziel der Keramikforschung, nicht mehr nur für die Datierung eines Fundplatzes ihren Beitrag zu leisten, sondern sie sollte es ermöglichen, durch die Erfassung der gesamten „Lebenszeit“ eines Keramikobjektes „von der Tongrube bis zur Abfallgrube“ Ausschnitte aus vielfachen historischen Lebenswirklichkeiten zu erschließen.
Summary
Research into pottery began among collectors and, later, folklorists in the early 20th century. Archaeological pottery studies have become fully established in the last forty years and have changed a great deal within the last two decades. A broad spectrum of research has opened up, which includes not only research into archaeological sites and their dating, but also the manufacture of pottery and with it the historic craft in all its facets. Cultural historical conclusions about the milieu and social status of the consumer can be made on the basis of the use and the functions of the pottery, which, however, are only partly understood at the moment. As is the case with the care of archaeological monuments, the chronological scope of pottery studies now also includes even the most recent modern period. Today, pottery studies aims, not only to contribute to the dating of archaeological sites, but also to study the entire “life cycle” of a pottery object, thus making it possible to glimpse many different historical situations in its journey from the clay pit to the rubbish heap.
Johanna Kraschitzer, Das Gefäßspektrum des 14. bis 16. Jahrhunderts aus innerstädtischen Grabungen. Gefäßkeramik aus Grazer Fundkomplexen
Zusammenfassung
In der Grazer Innenstadt konnten seit den 1990er-Jahren mehrere Fundstellen dokumentiert werden, auf denen unser derzeitiges Wissen über Gefäßkeramik des 14. bis 16. Jahrhunderts im steirisch-innerstädtischen Bereich basiert. Für zwei dieser Fundstellen steht ein Terminus ante quem fest: Eine Kellerverfüllung am Grazer Hauptplatz wurde im frühen 15. Jahrhundert geschlossen, während zwei mit Hausrat verfüllte Sickerschächte im Palais Khuenburg dieses Schicksal um oder bald nach 1670 ereilte. Das Spektrum der Gefäßkeramik umfasst im Spätmittelalter hauptsächlich Töpfe, selten Kannen, Schüsseln und Lampenschalen; glasierte Keramik ist die Ausnahme. Das ändert sich sprunghaft mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts: Markante Formen sind nun die Dreifußschüssel, der Krug mit hohem Rand und der Topf mit Kragenrand und ellipsoidem Körper; die Glasur wird fixer Bestandteil. Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit der technischen Perfektionierung. Importkeramik ist in der fraglichen Zeitspanne in Graz selten.
Summary
Several sites in the historic centre of Graz have been explored since the 1990s. Our knowledge of pottery from the 14th to 16th centuries in Styrian urban centres is based on these excavations and the finds made there. A terminus ante quem exists for two sites: On the one hand, the cellar of a late medieval house on the Hauptplatz (Main Square), which was filled in in the early 15th century, and on the other two drainage shafts in the Palais Khuenburg, which were filled with debris and pots shortly after 1670. The pottery spectrum in the late Middle Ages mainly consists of pots. Jugs, bowls and lamps are rare, as is glazed pottery. This picture changes dramatically at the beginning of the 16th century. Distinctive 16th century forms are the tripod-bowl, the spherical pitcher with a high rim and pots with ellipsoid bodies and reinforced rims; glazed pottery is now normal. This development is linked to increasingly perfected techniques. Imported pottery is rare in Graz in the late Middle Ages and the early modern period.
Paul Mitchell, Ziegel als archäologische Artefakte: Technologie – Verwendung – Format – Datierung
Zusammenfassung
Der Archäologe oder die Bauforscherin hat die „Ziegellandschaft“ in seiner oder ihrer Region zu kennen. Mit Grundkenntnissen der Ziegelformate, Technologie und Ziegelzeichen kann man schnell wichtige Datierungshinweise gewinnen. Das Format von Mauerziegeln ist im Lauf der Zeit Veränderungen unterworfen und variiert von Region zu Region. Die ältesten Mauerziegel in Nordostösterreich werden in das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts datiert und sind zwischen 20 cm und 24 cm lang, bei einem Seitenverhältnis von ca. 4 : 2 : 1. Aufgrund des Formats und/oder des sogenannten Fingerstrichs sind mittelalterliche Ziegel leicht zu identifizieren. Die Frage nach dem Ursprung des nordostösterreichischen Kleinformats ist noch nicht endgültig aufgeklärt. In Wien und Niederösterreich wurden Mauerziegel im Verlauf des 15. Jahrhunderts größer. Spätestens bis in das frühe 16. Jahrhundert haben sich jene beiden Formate – Mauerziegel „österreichischen Formats“ (ca. 28 cm Seitenlänge, 4 : 2 : 1) und Gewölbeziegel (ca. 24 cm Seitenlänge, 3 : 2 : 1) – herausgebildet, die bis in das 19. Jahrhundert vorherrschen. Italienische Ziegelmacher sind im 16. Jahrhundert wahrscheinlich für die Einführung eines weiteren, größeren Formats (30–32 cm Seitenlänge) verantwortlich. Im Bereich des ehemaligen Habsburg-Imperiums sind viele tausende neuzeitliche, erhabene oder vertiefte Ziegelzeichen bekannt.
Summary
Archaeologists are well advised to acquire basic knowledge of brick formats, technology and marks in their region. Brick formats change over time and from one region to another. The first bricks in Lower Austria date to the second quarter of the 13th century and are overwhelmingly 20–24 cm long. Format and finger marks left by the removal of surplus clay make medieval bricks easy to identify, but where the Lower Austrian small size came from remains unclear. In Vienna and Lower Austria bricks become larger during the course of the 15th century. By the early 16th century two formats emerge – the “Austrian format” (28 cm length) and the vaulting brick (24 cm length) – which remain dominant in the 19th century. Italian brickmakers are probably responsible for the introduction of a further, larger format in the 16th century (30–32 cm length). Thousands of post-medieval brick marks – in relief or deepened – are known from the former Hapsburg Empire.
Sarah Leib, Repräsentation in der Stube. Ein Blick hinter die Fassade der reliefverzierten Ofenkeramiken in Tirol und Vorarlberg
Zusammenfassung
Der Stand der Ofenkeramik-Forschung im Westen Österreichs, respektive in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg, basierte bis vor wenigen Jahren hauptsächlich auf den Forschungen Josef Ringlers in den 1950er- und 1960er-Jahren. Erst seit kurzem wird dieser Quellengruppe erneut ein verstärktes Interesse entgegengebracht. So konnte von der Autorin im Rahmen eines Dissertationsprojekts eine systematische Erfassung der reliefverzierten Ofenkacheln des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit durchgeführt werden. Das Aufnahmegebiet umfasst die Bundesländer Tirol und Vorarlberg. Die Auswertung des gesammelten Datenpools – über 6.500 gesichtete Ofenkachelfragmente, ganze Ofenkacheln und stehende Öfen – gliedert sich in die Bereiche soziokultureller Kontext, Handel und Austausch, Handwerk und Produktionstechnik sowie Motive und Ikonografie. Als erkenntnisreich hat sich etwa die systematische Dokumentation der Kachelrückseiten herausgestellt. Neben Informationen zu Kachelaufbau und Herstellungsprozess konnten auch konstruktive Details des Ofenbaus beobachtet und vermeintlich erst seit der frühen Neuzeit angewandte Techniken bereits im späten Mittelalter nachgewiesen werden.
Summary
Until a few years ago, the state of research into stove tiles in western Austria (Tyrol and Vorarlberg) was based on the work of Josef Ringler in the 1950s and 60s. This source group has only recently become a focus of interest again. As part of her doctoral dissertation the author has carried out a systematic survey of late medieval and early modern relief-moulded stove tiles in Tyrol and Vorarlberg. The analysis of the data base – more than 6,500 confirmed stove tile fragments, entire tiles and surviving ovens – is arranged in the sections socio-cultural context, trade/exchange, handwork, production techniques and motifs/iconography. The systematic recording of the reverse side of the tiles has proved to be particularly instructive. Not only information about the make-up of the tiles and the manufacturing process, but also constructive details from the oven-building process were observed. Techniques, which had been thought to have been employed since the early modern period, were shown to have been already in use in the later Middle Ages.
Kinga Tarcsay, Vom „weißen Fleck“ zur bunten Vielfalt. Fortschritte und Desiderate der österreichischen Glasforschung
Zusammenfassung
Der Beitrag stellt die Fortschritte und neuen Erkenntnisse der letzten zwei Jahrzehnte auf dem Gebiet der archäologischen Glasforschung in Österreich dar. Diese setzte nach einzelnen frühen Fundvorlagen erst mit dem Beginn der 1990er-Jahre intensiver ein, weshalb in den meisten Arbeiten zunächst noch die Frage nach dem Formenspektrum im Vordergrund stand. Vor allem die steigende Zahl an Glashüttengrabungen ermöglicht es aber nun zunehmend, die Glasproduktion im heute österreichischen Raum mit ihren technologischen, künstlerischen und auch sozialen Facetten nachzuvollziehen. Das Ziel künftiger Projekte sollte es sein, den gesamten „Kreislauf des Glases“ von der Herstellung über den Handel und den Gebrauch mit seinen soziokulturellen und wirtschaftshistorischen Aspekten bis hin zur Entsorgung beziehungsweise dem Recycling zu erfassen.
Summary
The paper discusses progress and new findings from the last two decades of archaeological research into glass in Austria. Apart from a few early finds reports, this only began intensively in the early 1990s, meaning that at first the range of forms was at the fore of most studies. However, an increasing number of excavations of glassworks sites is now throwing light on production in the Austrian area, in its technological, artistic and even social aspects. Future projects should aim to encompass the entire “glass life cycle” from production to trade and use, in both its socio-cultural and economic historical aspects, and ultimately to disposal or recycling.
Michaela Wilk, Venezianische Kelchglasformen des 16./17. Jahrhunderts im Fokus des Gesamtphänomens „Rezeption” im Rahmen eines prozessorientierten Kulturtransfers
Zusammenfassung
Im Rahmen des Beitrages wird versucht, frühneuzeitliche Kelchglasformen aus Salzburger Altstadtbefunden als Handels-, Kunst- und Gebrauchsobjekte interdisziplinär, speziell im Rahmen eines frühneuzeitlichen Kulturtransfers, zu diskutieren sowie ihre potenziellen Funktionen im soziokulturellen Kontext zu beleuchten. Salzburg eignet sich allem voran durch frequentiertes Vorliegen venezianischer Gläser des 16./17. Jahrhunderts aus archivalisch nachweisbarem Besitz des im Venedighandel/Speditionswesen involvierten Patriziats für ökonomische und repräsentative Aspektermittlungen. Ein weiterer Bonus der Stadt liegt in ihrer frühneuzeitlichen Funktion als Residenz (neben jener als Handelsstadt), was eine erweiterte Fokussierung des Phänomens „Kelchglas als Trinkglas“ in sozialen Zusammenhängen erlaubt.
Summary
The paper discusses early modern goblet forms from Salzburg city centre in terms of trade, art and daily use, and in particular in terms of cultural exchange. Their potential functions in a socio-cultural context are also scrutinized. Salzburg is a suitable place for an examination of economic and representative aspects of this kind, because of the presence of Venetian glasses from the 16th and 17th centuries from the known ownership of patricians involved in Venetian trade and the haulage business. Another benefit of the town is its early modern function not only as a trading centre, but also as a residence, thus allowing a broad focus on the goblet as a drinking vessel in a social context.
Patrick Cassitti, Buntmetallobjekte des Mittelalters und der Neuzeit im europäischen Kontext: Forschungsperspektiven. Technik: Lebensbewältigung durch Innovation und Tradition
Zusammenfassung
Die Sachkultur aus Buntmetall des Mittelalters und der Neuzeit ist ein umfangreiches Studiengebiet, auf dem wir im Gegensatz zu anderen Materialgruppen noch erhebliche Wissenslücken haben. Dies ist teilweise auf spezifische Eigenschaften des Materials zurückzuführen. Der hohe Wert und die gute Recyclingfähigkeit führen zu einem geringen, sehr selektiven Fundniederschlag, die Überregionalität der Formen erschwert das Eingrenzen der Ursprungs- und Absatzgebiete und das Fehlen einer ausgereiften wissenschaftlichen Terminologie und mangelnde Dokumentationsstandards vermindern die Vergleichbarkeit der publizierten Funde. Um das Potenzial der mittelalterlichen und neuzeitlichen Sachkultur aus Buntmetall auszuschöpfen und zu aussagekräftigen Interpretationen zu gelangen, sind die üblichen typologischen und vergleichenden Verfahren von begrenztem Nutzen. Es erscheint hingegen vielversprechend, die Objektbiografie stärker in den Mittelpunkt zu rücken und die Überlieferungsgeschichte der im Fundgut vertretenen Objekte so weit wie möglich zu rekonstruieren. Angesichts der vielseitig bezeugten Recyclingpraktiken sollte die Anwesenheit von Buntmetall im Fundgut von Fall zu Fall neu gedeutet und erklärt werden. Darüber hinaus wären präzise Dokumentationsstandards wie in der Keramikforschung auch für Buntmetallobjekte wünschenswert.
Summary
Compared to other fields of archaeological study, research into medieval and post-medieval non-ferrous metal artefacts is still relatively undeveloped. This is partly due to the specific properties of the alloys. Their relatively high value and recyclable nature leads to a scarcity of archaeological finds and a very selective distribution, while the supra-regional forms make pinpointing the production and distribution areas difficult. Also, a lack of an established scientific terminology and poor documentation standards lessen the potential comparability of the published finds. Because of this, the usual typological and comparative methods are of limited use when trying to tap the scientific potential of this class of medieval and post-medieval artefact. It seems promising instead to adopt an approach which makes the single object and its biography the focal point of the analysis and attempts to reconstruct the transmission processes which caused it to become part of the archaeological record as precisely as possible. Considering what we know about recycling methods in the past, the presence of non-ferrous metal in the archaeological record should be interpreted and explained case-by-case. Furthermore, precise documentation standards for non-ferrous metal objects are needed in order to carry out well-founded studies on the production and distribution of non-ferrous metal artefacts.
Lukas Kerbler und Andreas Krainz, Ein frühmittelalterlicher Eisenverhüttungsplatz in Dörfl, Burgenland
Zusammenfassung
Ein Eisenverhüttungsplatz in Dörfl (Burgenland) lieferte ca. 175 Bewindungsdüsen. Jene des Hügels 1 haben nahezu idente Geometrie, geringe Wandstärke und kaum Bearbeitungsfehler. Innen sind die Düsen glatt, rund und stammen aus routinierter Hand. Der Betrieb des Verhüttungsplatzes fand in mehreren Phasen statt. Zu Beginn stand intensive Produktionsarbeit einer erfahrenen Gruppe, die von Menschen abgelöst wurde, die ihr Wissen von den Spezialisten abschauten und die Eisenproduktion fortsetzten. Unsere Experimente zeigen weiters, dass die Bewindung durch die Ofenbrust wahrscheinlich ist und insgesamt 1,7 t Schmiedeeisen produziert wurden. Die Ähnlichkeit der Öfen in Dörfl und Nemeskér (Ungarn) sowie die Thermolumineszenzdatierung stellen den Verhüttungsplatz in eine direkte awarisch-slawische Kulturtradition und datieren ihn in die Mitte des 9. Jahrhunderts.
Summary
An iron-smelting site in Dörfl (Burgenland, Austria) produced approximately 175 tuyères. The tuyères from slag heap Nr. 1 are all nearly identically shaped, and have reduced wall thickness and almost no defects in their workmanship. The tuyères are smooth inside, round, and were made by an experienced hand. The smelting site was used in several phases. At first, there was intensive production by an experienced group that was later replaced by people, who, it seems, acquired their knowledge by watching the experienced group and then continued the iron production in a less experienced way. Our experiments show furthermore that a total of 1.7 tons of wrought iron was produced and that the use of the technique of blowing through the oven breast is likely. The similarity with the furnace in Nemeskér (Hungary), as well as dating by thermoluminescence, places the smelting site in a direct Avar-Slavic cultural tradition and dates it to the mid-9th century.
Robert Bergmann, Manfred Fugger und Michael Hajek, Zur Thermolumineszenzdatierung einer mittelalterlichen Ofendüse aus Dörfl-Neuwiesen (Burgenland)
Zusammenfassung
Der archäologische Befund der bei Grabungen in der Marktgemeinde Dörfl-Neuwiesen (Burgenland) freigelegten Ofenschachtfragmente eines Eisenverhüttungsplatzes erlaubte keine definitive zeitliche Einordnung. Neben Eisenschlacke wurden insbesondere Keramikdüsen gefunden. Eine dieser Keramikdüsen konnte durch die Thermolumineszenzmethode auf ein Alter von 859 ± 90 Jahren datiert werden. Dieses Ergebnis bildet eine wichtige Grundlage für die Einordnung des Verhüttungsplatzes.
Summary
Archaeological evidence from fragments of a furnace shaft at the iron-smelting site excavated in the village of Dörfl-Neuwiesen (Burgenland) resulted in inconclusive dating of the site. In addition to slag left over from iron production, clay nozzles (tuyères) belonging to the original furnace construction were also found. One of these clay nozzles was dated to 859 ± 90 years using the thermoluminescence technique. This result provides an important base for the reconstruction of the history of the iron-smelting site.
Günther Karl Kunst und Michaela Popovtschak, „Rund ums Essen“ – bioarchäologische Quellen
Zusammenfassung
Am Beispiel archäozoologischer und archäobotanischer Fundgegebenheiten wird die Fundsituation bioarchäologischer Quellen im Zeitrahmen Frühmittelalter bis (Frühe) Neuzeit in Österreich dargestellt. Es werden Probleme und Ergebnisse dieser Untersuchungen diskutiert und künftige Schwerpunktsetzungen aufgezeigt.
Summary
The state of research concerning bioarchaeological sources between the Early Middle Ages and the (early) post-medieval period is outlined on the basis of characteristic archaeozoological and archaeobotanical assemblages. Results and problems of these researches are discussed and future research foci proposed.
Alice Kaltenberger, Gebrauchsspuren auf Keramik als Indikatoren des Wandels in der Kochtechnik
Zusammenfassung
Keramikgefäße sind untrennbar mit der Speisenzubereitung verbunden. Die Form der Kochgefäße richtet sich weitgehend nach der Herdstelle und den Zubereitungsmöglichkeiten. Zudem lässt sich ein Zusammenhang mit dem verfügbaren Nahrungsmittelangebot fassen. Die Kombination der spezifischen Formgebung mit den sekundären Spuren des Gebrauchs bietet einen Indikator für die Erschließung der jeweiligen Kochtechnik und der Herdform. Als illustrierende Ergänzung stehen vor allem ab dem Spätmittelalter anschauliche Bildquellen mit historischen Kücheninterieurs und Kochszenen zur Verfügung.
Summary
Pottery vessels are inevitably connected to food preparation. The shape of cooking vessels is generally dependant on the stove and on possible preparation methods. Specifics of vessel shape and traces of use can, if combined, indicate cooking methods and the type of stove employed. From the Later Middle Ages onwards vivid pictorial sources featuring historic kitchen interiors and cooking scenes are available as an illustrative help to this analysis.
Ronald Kurt Salzer, Vermessen? Metrik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit im Spiegel der archäologischen Funde aus Österreich
Zusammenfassung
Das Messen von Gewicht und Zeit war im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit von großer Bedeutung. Waagen und Uhren zählten deshalb zu weit verbreiteten Alltagsgegenständen. Dem steht allerdings nur eine geringe Anzahl an archäologischen Funden gegenüber. In Österreich sind vorwiegend Gewichte (hauptsächlich in der Form von Einsatzgewichten) dokumentiert; dazu kommen die in Mitteleuropa noch relativ unbekannten scheibenförmigen Gewichte (Token) sowie Waagschalen und Fragmente von Waagebalken. Auf dem Gebiet der Zeitmessung treten mehrheitlich tragbare Sonnenuhren archäologisch hervor; bemerkenswerte Ausnahmen stellen Bestandteile einer mechanischen Tischuhr sowie einer Sanduhr dar. Als Ergänzung zu schriftlichen und ikonografischen Quellen sowie zu in Sammlungen und Museen erhaltenen Objekten kann die Archäologie zu spezifischen Fragestellungen im Bereich der Metrik einen wesentlichen Beitrag leisten. Dazu zählt beispielsweise der Aspekt der räumlichen und sozialen Dimension von Gewichts- und Zeitmessgeräten: Hier zeigt sich etwa nach derzeitigem Forschungsstand bei den Fundorten solcher Geräte ein signifikanter Anteil an Burgen. Ferner können mit Hilfe archäologischer Funde bisher gängige Datierungen von Instrumententypen verifiziert oder präzisiert werden.
Summary
The measurement of weight and time was of great importance in the medieval and early modern periods. Scales and clocks were therefore widespread everyday objects. Despite this, only a small number of archaeological finds has been retrieved. Weights prevail in the Austrian archaeological records, mainly in the form of cup weights. Discoid weights (tokens) – still relatively rare in Central Europe – have also been found, as have fragments of a balance beam and a scale pan. In the field of time measurement archaeological finds of sundials are predominant, with remarkable exceptions being components of a mechanical table clock and of an hourglass. In addition to written and iconographical sources, as well as objects preserved in collections and museums, archaeology can play a vital role in answering specific questions in the field of metrics. This for example includes the spatial aspect and social dimension of both weight and time measurement devices. At present, the state of research means that castles feature prominently as finds places for such instruments. Moreover, thanks to archaeological finds traditional datings of instrument types can be verified or refined.
Michael Schick, „Ergrabene Musik“. Von archäologisch geborgenen Fragmenten zum Instrument. Musikarchäologische Forschungen in Tirol
Zusammenfassung
Der Beitrag rückt eine sonst oft wenig beachtete Fundgattung in den Mittelpunkt: archäologisch geborgene Fragmente von Musikinstrumenten. Meist schwer als solche erkenn- und zuordenbar, werden sie am Institut für Archäologien/Fachbereich Ur- und Frügeschichte sowie Mittelalter- und Neuzeiarchäologie seit 2000 gesammelt. In den letzten Jahren konnten systematisch über 400 Objekte erfasst werden. Die Bandbreite reicht von Maultrommeln über Flötenfragmente oder Mundharmonikateile bis hin zu Klang- oder Signalgeräten. Ein entscheidendes Kriterium für die weite Verbreitung von einfachen Instrumenten und Klanggeräten stellt der transeuropäische Warenverkehr dar, welcher unter anderem über die Alpen, und damit durch den Tiroler Raum, verlief. So wurden etwa Schellen und Maultrommeln weit verhandelt und sind deshalb auch relativ häufig im Tiroler Fundmaterial vertreten. Am Beispiel einer Maultrommel aus Weißenbach wird auf die Dokumentationsform und eine spezielle Verwendung eingegangen. Sonderfunde wie ein Flötenfund aus Osttirol lassen auch eine bespielbare „Rekonstruktion“ zu. Am Beispiel eines Krallenglöckchens aus dem Außerfern wird die angewandte Methodik der Dokumentation erläutert.
Summary
This article draws attention to a category of finds which normally receives little consideration: archaeologically-recovered fragments of musical instruments. They are generally difficult to recognize and classify, but have been collected, documented and archived at the Institute of Archaeologies in Innsbruck since 2000. More than 400 objects have been recorded systematically in recent years. The spectrum varies from Jew’s harps to fragments of flutes or harmonicas and sound- and signal instruments. The trans-European traffic in goods, which also flowed across the Alps and therefore through the Tyrol region, was a crucial reason for the widespread dispersal of simple instruments and sound-devices. Bells and Jew’s harps were widely traded, for example, and are therefore found relatively frequently in Tyrol. A Jew’s harp from Weißenbach will serve as an illustration of the documentation process and of a special usage. Unique finds, such as a flute from East-Tyrol, even make a playable „reconstruction“ possible. The documentation method employed will be shown, taking as an example a little claw-bell from the Außerfern region of northern Tyrol.
Heike Krause und Christoph Sonnlechner, Archäologie und Umweltgeschichte. Wien, die Donau und der Umgang mit Wasser
Zusammenfassung
Der Beitrag behandelt das Thema Gewässerbewirtschaftung, Wassergewinnung, Abwasser-/Abfallentsorgung in Mittelalter und Neuzeit in Wien. In den letzten zwei Jahrzehnten kam es in dieser Hinsicht zu einem Zuwachs an archäologischen Erkenntnissen. Bei Ausgrabungen in der Stadt trifft man unweigerlich auf infrastrukturelle Überreste wie Brunnen, Wasserleitungen, Abfallgruben, Latrinen und Abwasserkanäle unterschiedlichen Alters. Derartige Befunde und Funde ermöglichen es uns, unter Hinzuziehung schriftlicher und kartografischer Quellen die technischen Neuerungen in der Wasserversorgung und Abwasser-/Abfallentsorgung nachzuvollziehen. Es zeigt sich zum einen eine zunehmende Diversität infrastruktureller Einrichtungen und zum anderen eine fortschreitende Integration der Flusslandschaft in den Stadtraum und die Zersiedelung der Auenlandschaft. Anhand des in diesem Beitrag vorgestellten ENVIEDAN-Projektes wird deutlich, wie lohnend die Zusammenarbeit von Archäologie, Geologie, Hydromorphologie, Geschichte und Historischer Kartografie hinsichtlich der Rekonstruktion der Umwelt sein kann.
Summary
The paper discusses water management, water supply, drainage and rubbish disposal in the medieval and post-medieval periods in Vienna. There has been an increase in archaeological data around these themes over the last two decades. City excavations inevitably lead to the discovery of infrastructural remains of varying age, such as wells, water pipes, rubbish pits, latrines and drains. Features and finds of this type, together with written and cartographic sources, allow us to understand technical innovations in water supply, drainage and rubbish disposal. Two trends have emerged: On the one hand, a growing diversity in infrastructural systems, and on the other, the increasing integration of the river landscape in the urban area, including urban sprawl in the riverside zone. The paper outlines the ENVIEDAN project, which illustrates the benefits to be gained through the cooperation of archaeology, geology, hydro-morphology, history and historical cartography in the reconstruction of the environment.
Nikolaus Hofer, Martina Hinterwallner und Martin Krenn, Stadtarchäologie in Österreich. Eine Standortbestimmung
Zusammenfassung
Die enorme, hauptsächlich durch Denkmalpflegemaßnahmen bedingte Steigerung der archäologischen Untersuchungen in mittelalterlichen Städten hat in den letzten drei Jahrzehnten Erkenntnisgewinne zu nahezu allen Facetten des mittelalterlichen urbanen Lebensraumes im heutigen Österreich erbracht. Dieser Wissenszuwachs stellt sich jedoch sowohl innerhalb des Bundesgebietes als auch auf dem Gebiet der einzelnen Bundesländer äußerst ungleichmäßig dar und reicht von nahezu Null (etwa in vielen durchaus bedeutenden südösterreichischen Städten) bis zu einem hohen Grad an Quellenerfassung (etwa in Tulln, Hall in Tirol oder Wien). Die Beseitigung dieses Ungleichgewichts, das sich letztlich auch in der Zusammenstellung der Detailvorträge zu dem Themenblock „Urbanität“ widerspiegelt, wird in den nächsten Jahrzehnten zweifellos eine der größten Herausforderungen für die österreichische Mittelalterarchäologie darstellen.
Summary
The enormous growth in archaeological projects in medieval towns in the last three decades, largely a consequence of interventions by the monuments service, has led to new findings in almost every aspect of the medieval urban setting within the boundaries of present-day Austria. This growth in knowledge, however, whether seen on a federal level or in terms of the individual regions, is very unevenly spread, ranging from almost no progress (for example in many important southern Austrian towns) to the recording of a substantial part of the resource base elsewhere (for example in Tulln, Hall in Tyrol or Vienna). Without doubt, one of the greatest challenges confronting medieval archaeology in Austria in the next few decades will be to correct this imbalance. The individual talks within the section “Urban Life” have also been put together with this in mind.
Alexander Zanesco, Stadtentwicklung und Topografie von Hall in Tirol im Spiegel archäologischer Quellen
Zusammenfassung
Fasst man die Forschungen der Stadtarchäologie zur Siedlungsentwicklung und -topografie zusammen, so bezieht sich der Erkenntnisgewinn vor allem auf die naturräumlichen Voraussetzungen, die Verkehrswege und die bauliche Entwicklung der Stadt Hall. Ihr besonderer Wert liegt naturgemäß in erster Linie bei jenen Zeiträumen, für welche Schrift- und Bildquellen nicht oder nur sehr unzureichend zur Verfügung stehen. Hervorzuheben sind besonders Erkenntnisse zu den Befestigungsbauten, welche erstmals genauere Datierungen ergaben, darüber hinaus aber auch Aussagen zur Entstehung der Stadt. Ähnliches ist bezüglich der landschaftlichen Grundlagen der städtischen Siedlung zu sagen. Die Stadt Hall bezieht sich einerseits auf den Weg ins Halltal, die Quelle ihres Salzreichtums, andererseits auf den Inn als Verkehrs- und Transportweg. Die Salzproduktion fand hier ideale Voraussetzungen, sobald die technischen Mittel dafür gegeben waren: Transport von Sole aus dem Halltal, Transport von Brennholz über den Inn, leistungsfähige Sudhäuser und ein Anschluss an den überregionalen Handel. Wie bereits Hinweise aus Schriftquellen vermuten ließen, stärkten die archäologischen Forschungen die Ansicht, dass das Zentrum der Salzproduktion auf einer Flussinsel entstanden ist.
Summary
The urban archaeology service’s research into urban development and topography has resulted above all in new information about the preconditions set by the natural environment, transport routes and the development of the town of Hall. Its special value lies of course within time periods for which written sources and images do not exist or are very scarce. Insights into fortifications, which have resulted in precise dates for the first time, and conclusions about the birth of the town have been particularly significant. The landscape as a basis of urban development has also been an important subject. The town of Hall lies between the route into the nearby Hall Valley, the source of its salt wealth, and the river Inn, a traffic and transport route. Salt production found ideal conditions there as soon as the technical means were at hand: Transport of brine from the Hall Valley, transport of firewood along the Inn, efficient brine boiling plants and integration into interregional trade markets. Archaeological investigation has strengthened the opinion that the centre of salt production began on an island in the river, as hints from written sources had suggested.
Karin Fischer Ausserer und Christoph Öllerer, Die mittelalterliche und neuzeitliche Stadtmauer in Wien – das Projekt „Wiener Stadtbefestigung“
Zusammenfassung
Die Stadtarchäologie Wien betreibt seit einigen Jahren das Projekt „Wiener Stadtbefestigung“, das die Aufarbeitung der mittelalterlichen und der renaissancezeitlichen Stadtmauern zum Inhalt hat. Dies wurde durch mehrere Rettungsgrabungen, bei denen diese linearen Objekte angetroffen wurden, möglich. Im Zentrum stand natürlich von Anfang an die wissenschaftliche Aufarbeitung der Grabungsergebnisse. Darüber hinaus wurden mehrere andere Zugänge zu dem Thema gewählt, um zu einer umfassenden Darstellung zu gelangen. Einerseits wurden sämtliche historischen Pläne für das relevante Gebiet herangezogen. Während sich die Quellen für den mittelalterlichen Mauerring als spärlich herausstellten, konnten für die Befestigung des 16. Jahrhunderts Darstellungen aus sämtlichen Bauphasen verwendet werden. Natürlich zeigte sich der Mauerverlauf im Vergleich zum heutigen Stadtbild nicht lagerichtig, die Abweichungen ließen sich aber anhand der aktuellen Ergebnisse eingrenzen. Neben dem Kartenmaterial wurde in unterschiedlichen Archiven auch nach aussagekräftigen Aufzeichnungen recherchiert, die mit Errichtung, späteren Umbauten und der Demolierung in Zusammenhang standen. Andererseits wurde in Kooperation mit den zuständigen Magistratsabteilungen der Untergrund im Umfeld der Befestigungsanlagen erkundet, wobei Bohrprofile, welche direkt die Befunde berührten, herausgefiltert werden konnten. Weiters wurden ältere Fundmeldungen und die Stadtbefestigungen betreffende Ausgrabungen herangezogen und eingearbeitet. Auf der Basis all dieser Grundlagen wurde ein GIS-Plan der renaissancezeitlichen Stadtmauer angefertigt, der weitere Forschungen ermöglicht und die Prognosegenauigkeit für die Planung künftiger Grabungsprojekte um ein Vielfaches erhöht. Damit ist sowohl der Wissenschaft als auch der Bauwirtschaft ein wichtiges Werkzeug in die Hand gegeben.
Summary
The archaeology department of the City of Vienna has been pursuing the project ‘Vienna’s Fortifications’ for several years, aiming at the comprehensive documentation of Vienna’s medieval and renaissance city walls. The project emerged in the course of several rescue excavations which brought these linear objects to light. The focus was first and foremost on the scientific evaluation of the excavation results, but several other approaches to the topic were also taken in order to arrive at a comprehensive picture. On the one hand, all historical maps covering the relevant area were consulted. It turned out that there were only few sources available for the medieval wall, but that illustrations were able to provide valuable information about all phases of the 16th century fortifications, from construction to demolition. Naturally, the course of the wall could not be matched exactly to today’s town plan, but it was possible with the help of current results to pin down contradictions. The archives were not only sifted through for maps, but also for other significant records which had to do with the construction, subsequent modification and demolition of the walls. On the other hand, exploration of the ground around the fortification took place in cooperation with the relevant council departments, making it possible to filter out drilling profiles with direct consequences for the archaeological data. Additionally, older excavation reports concerning the city’s fortification were consulted and taken on board. A GIS map of the city’s renaissance walls was completed based on all this research, thereby facilitating further research and improving our ability to forecast and plan future excavation projects. This map is an important tool, not only for science, but also for the construction industry.
Martina Hinterwallner, Die Kremser Stadtbefestigung im Licht neuer archäologischer Quellen
Zusammenfassung
Nach einer ersten Bestandsaufnahme der obertägig sichtbaren Kremser Stadtbefestigung wurden im Zuge großer Bauprojekte erstmals große archäologische Grabungen im Bereich der Süd- und Südostbefestigung durchgeführt. Auf dem Areal des ehemaligen Bundeskonvikts wurden dabei Teile der mittelalterlichen und neuzeitlichen Stadtverbauung sowie ein großer Abschnitt der im Spätmittelalter errichteten Befestigungsanlage mit dreifachem Mauerring und Stadtgraben freigelegt. Der Bau der neuen Bezirkshauptmannschaft erbrachte Befunde der spätmittelalterlichen Befestigung und der südöstlich anschließenden Vorstadt. Dabei wurde parallel zur bestehenden Stadtmauer die gut erhaltene Zwingermauer vorgefunden und innerhalb des Zwingers der in das Verteidigungssystem integrierte Mühlbach dokumentiert.
Summary
A survey of those parts of Krems’ town fortifications still visible above ground took place some time ago. Now, prompted by major development projects, large-scale archaeological excavations have taken place in the southern and south-eastern part of the circuit for the first time. At the seminary site, part of the medieval/post-medieval town and a large section of the late medieval fortifications were uncovered, including three concentric walls and the town ditch. Elsewhere, the construction of the new district council offices led to the excavation of further parts of the late medieval urban fortifications and also of the south-eastern suburbs. At that site, a mill stream, which was an integrated part of the defensive system, was recorded between the town wall and the parallel outer wall.
Doris Schön, Parzellenstrukturen, Gebäudetypen und Überlegungen zur städtebaulichen Entwicklung am Beispiel des spätmittelalterlichen Wien
Zusammenfassung
Die seit 15 Jahren weitgehend flächendeckend in der Wiener Innenstadt durchgeführten Bauuntersuchungen und Grabungen des Bundesdenkmalamtes bei Baumaßnahmen im historischen Bestand ermöglichen zusammen mit der Auswertung von Ergebnissen eines groß angelegten Forschungsprojekts zur Wiener Hofburg die Erstellung eines differenzierten Bildes über die städtische Entwicklung in Wien. Maßgeblich dafür war die intensivierte Zusammenarbeit zwischen Archäologen, Historikern und Kunsthistorikern. So wurden etwa bei einer Grabung in der Salvatorgasse Holzgebäude und Erdkeller dokumentiert, die bis in das 13. und 14. Jahrhundert bestanden, während eine Bauuntersuchung am Bauernmarkt bereits für das 12. Jahrhundert die Entstehung eines Steingebäudes nachweisen konnte, das in weiterer Folge zur Keimzelle eines archivalisch überlieferten prächtigen Baubestands im 13. und 14. Jahrhundert wurde. Das im frühen 13. Jahrhundert angelegte Stadterweiterungsgebiet im Südwesten der heutigen Innenstadt wurde innerhalb weniger Jahre parzelliert und verbaut. So war auch die in diesem Stadtteil neu errichtete herzogliche Burg, der Kernbau der heutigen Hofburg, bereits im späten 13. Jahrhundert an drei Seiten von einer vielfältigen Bebauung umgeben.
Summary
Structural archaeological analyses and rescue excavations by the Federal Department for the Protection of Monuments have been taking place on a systematic basis in Vienna city centre for 15 years. Together with the results of a wide-ranging research project concerning the Vienna Hofburg, these now allow a sophisticated view of urban development in Vienna due to the intensive collaboration of archaeologists, historians and art historians. For example, the excavation at Salvatorgasse recorded wooden buildings and simple cellars, which existed there until into the 13th and 14th centuries, while a building survey at Bauernmarkt identified a stone building, which was built in the 12th century and represented the nucleus of an extensive property with splendid architecture from the 13th and 14th centuries recorded in archive sources. A new urban district was laid out in the south-western part of today’s city centre in the early 13th century. The dukes built their new castle in this area, the nucleus of today’s Hofburg, and by the late 13th century it was surrounded on three sides by a diverse collection of buildings.
Ute Scholz, Die Großgrabungen in Tulln an der Donau als Quellen für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der mittelalterlichen Stadt
Zusammenfassung
Bedingt durch Bautätigkeiten wurden in der Stadt Tulln an der Donau (Niederösterreich) in den letzten 20 Jahren insgesamt rund 40.000 m² der Innenstadt archäologisch untersucht. Dadurch konnte eine Fülle an archäologischen Quellen gewonnen werden, die nicht nur neue Erkenntnisse zu Stadtgenese und Siedlungsverlauf erbrachten, sondern auch umfangreiches Material zur Erforschung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der mittelalterlichen Stadt liefern. In der mittelalterlichen Vorstadt wurde ein Töpfereistandort verifiziert und der Nachweis für Aktivitäten unterschiedlicher Handwerker erbracht. Der Marktplatz wies neben seiner Marktinfrastruktur auch einen Kalkbrennofen und Produktionseinheiten in Form einer Ansammlung von Öfen auf. Auf dem Areal eines Stadtviertels südlich des Marktplatzes konnten neben der mehrphasigen Wohnbebauung zahlreiche Ofenbefunde, Abfallgruben und Arbeitsgruben erfasst werden. Diese lassen Aufschlüsse zu Produktions- und Konsumgewohnheiten erwarten. Die vorliegenden Stadtausschnitte ermöglichen es, ganze Stadträume zu erforschen, die in einem für Österreich einzigartigen Umfang vorliegen. Die Auswertung des umfangreichen Fundmaterials bietet Möglichkeiten zur Analyse der materiellen Kultur der mittelalterlichen Stadt.
Summary
During the last 20 years construction activities have led to the investigation of an area of 40,000 m² in the historic centre of Tulln (Lower Austria). These excavations revealed a large quantity of archaeological material related to the development of the medieval town and shed light on aspects of its social and economic history. A cluster of pottery workshops and evidence of different trades were discovered in the medieval suburbs. The marketplace with its typical infrastructure also proffered a lime kiln and several ovens. In an urban district south of the market, plots were found with a sequence of buildings, accompanied by a variety of ovens, rubbish pits and working areas. This archaeological material will supply information about customs and practices of production and consumption in the town. The large sections of the town covered amount to the investigation of entire urban districts on a scale exceptional in Austria. The huge amount of finds salvaged allows the analysis of the medieval town’s material culture.
Helmut Rizzolli, Währungsunionen und Währungsräume. Eine archäologisch-wirtschaftshistorische Spurensuche am Beispiel des von Verona ausgehenden Bernerraumes
Zusammenfassung
Nur für kurze Zeit kam es unter Karl dem Großen zu einer Währungsunion als „renovatio“ des altrömischen Silberdenars. Bald nach der ersten Reichsteilung von 843 sind allerdings regional verschiedene Denare und die Herausbildung unterschiedlicher Währungsräume dokumentierbar. An der Fallstudie zu der in Verona im ersten Viertel des 10. Jahrhunderts entstandenen Berner-Währung (Bern ist der mittelhochdeutsche Name für Verona) soll das interdisziplinäre Zusammenwirken von Archäologie, Numismatik und anderen Geschichtswissenschaften gezeigt werden. Wirtschaftlich sich allmählich entwickelnde Währungsräume, wie der von Verona, dürfen nicht mit einer durch zwischenstaatliche Übereinkommen auferlegten Gemeinschaftswährung – also einer Währungsunion, wie sie heute in vielen Ländern Europas üblich ist – verwechselt werden.
Summary
A monetary union as a „renovatio“ of the old Roman silver denarius existed for a short period during Charlemagne’s reign. However, different regional denarii and the beginnings of divergent monetary areas appear soon after the division of the empire in 843. The case study dealing with the “Bern currency”, which emerged in Verona in the first quarter of the 10th century (Bern is the Middle High German name for Verona), shows an example of interdisciplinary cooperation between archaeology, numismatics and other historical sciences. Economically gradually developing currency areas, such as that of Verona, should not be confused with common currencies enforced as the result of a contract between states i.e. a monetary union as known across many European countries today.
Sabine Felgenhauer-Schmiedt und Thomas Kühtreiber, Der ländliche Raum im Mittelalter. Zugänge und Perspektiven der österreichischen Mittelalterarchäologie
Zusammenfassung
Der ländliche Raum in Österreich war im Mittelalter umfassenden Veränderungen unterworfen. Dies lag vor allem am Wandel von der über Personenverbände erfolgten Herrschaftsausübung im Früh- und Hochmittelalter hin zur territorial organisierten Herrschaft im Spätmittelalter und der Neuzeit. Der Beitrag untersucht, inwieweit soziale, wirtschaftliche und rechtliche Organisationsformen des ländlichen Raums materielle Spuren hinterlassen haben beziehungsweise ob die archäologisch fassbaren Siedlungs- und Landschaftsmuster mit diesen Prozessen in Einklang zu bringen sind.
Summary
Rural space in medieval Austria was subject to considerable change. One major reason was the shift from a seigniorial praxis of power based on networks of people to more or less territorially-based rule. The paper looks at whether or not socio-economic and political changes have left material traces and asks how far the archaeologically-known pattern of settlement and medieval landscape mirror these processes.
Elisabeth Nowotny, Neues zu frühslawischen Siedlungen in Niederösterreich
Zusammenfassung
Ausgrabungen auf der im nordwestlichen Weinviertel gelegenen mehrphasigen Fundstelle Mitterretzbach erbrachten unter anderem Siedlungsbefunde frühslawischer Zeitstellung. Die vier Grubenhäuser sowie acht Gruben stellen eine beträchtliche Erweiterung des Forschungsstandes dar. Ein Schwerpunkt des Beitrags wird auf die Eigenschaften (Form, Tiefe, Größe und Orientierung), Einrichtungen (Feuerstellen, Eingänge und Innenausstattung) und Konstruktionsweise der Grubenhäuser gelegt. Ebenfalls öfter vertreten sind Speichergruben, deren Verteilung in Bezug auf Wohnbauten im Untersuchungsgebiet keine Regelhaftigkeit ergab. Auch auf das Vorkommen ebenerdiger Pfostenbauten wird eingegangen. Weiters werden Tendenzen im Besiedlungsmuster besprochen. Da bis dato in Niederösterreich lediglich von Siedlungskonzentrationen die Rede war, ist von besonderem Interesse, dass sich in Mitterretzbach eine regelhafte Anordnung der Grubenhäuser erkennen lässt, die in ein bei mehreren frühslawischen Siedlungen festgestelltes Schema passt.
Summary
Excavations on the multi-phase settlement site of Mitterretzbach, which is situated in the north-western Weinviertel (Wine District), brought evidence of early Slavic presence. Four pit-houses and eight pits considerably enrich the state of research. One of the paper’s foci is pit-houses, in particular their features (form, depth, size and orientation), facilities (fire places, entrances and interior fittings) and methods of construction. Storage pits are recorded fairly often, but no regularity in their spatial relation to residential buildings could be found in the study area. In addition, ground-level post constructions are also examined. Trends in the pattern of settlement, to do with location in relation to elevation and to water, are discussed. A regular arrangement of the pit-houses is recognisable in Mitterretzbach, matching a pattern known from several other early Slavic settlements. This is particularly interesting as only settlement concentrations have been talked of before.
Patrick Schicht, Burgen als geopolitische Schachfiguren. Zwei Fallbeispiele aus dem Erzbistum Salzburg im 12. Jahrhundert sowie aus dem Herzogtum Österreich im 13. Jahrhundert
Zusammenfassung
Sah man übergeordnete Bauprogramme für Burgen bis zum 2. Weltkrieg allgemein als erwiesen an, wurden sie seitdem weitgehend hinterfragt und ihre Allgemeingültigkeit wurde widerlegt. Landesherrliche Territorialstrategien und systematischer Grenzschutz sind zwar historisch durchaus gut belegt, dennoch tendiert auch hier die jüngere Forschung zur Vorsicht. Im Artikel werden zwei Regionen modellhaft untersucht, für die überregionale Wehrbaukonzepte belegt werden können. Das Erzbistum Salzburg entwickelte sich im 11. Jahrhundert zur selbstbewussten politischen Macht an neuralgischer Stelle in den Alpen. Gegen zahlreiche feindliche Übergriffe konnten auf der Basis starker Burgen sowohl bedeutende Außenposten gesichert als auch ein geschlossenes Gebiet gehalten werden, das letztendlich zum eigenständigen Fürstentum Salzburg aufsteigen sollte. In den Herzogtümern Österreich und Steiermark stellten die Babenberger im frühen 13. Jahrhundert ihre Herrschaft auf andere Art sicher. Neue Stadtgründungen ermöglichten sichere Grenzposten mit ausreichendem Platz zum Versammeln von Truppen. Um 1240 wurde dieses System durch eine Kette von gleichartigen Kastellen verdichtet.
Summary
Before the Second World War castle construction programmes were generally thought to have existed, but afterwards they were questioned. Territorial and border defence strategies on the part of ruling houses are indicated by historical texts, but modern researchers are cautious even here. This article presents new findings from two regions of Austria, where planned castle building has been proven. In the archbishopric territory of Salzburg the religious centre developed into a very definite political power in the 11th century. A programme of castle building was started, which led to a network of strongholds in the 12th century. In the end, this meant a concentration of Salzburg power in the centre of the Alps and the defining of a new independent territory. The dukes of Austria and Styria secured their power in the 13th century in a different way. Strong towns and cities were founded which protected the border and which could house soldiers and goods. Around 1240 this system was completed with a series of castles very similar in architecture and details.
Astrid Steinegger, Alte und neue Ansätze in der steirischen Burgenarchäologie anhand einiger ausgewählter Objekte
Zusammenfassung
Der Begründer der österreichischen Burgenarchäologie, Josef von Scheiger, verschrieb sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts einer modernen Betrachtung der Denkmalpflege, besonders in Hinblick auf Burgen. Er behandelte – bis heute aktuelle – Themen wie die hohen anfallenden Kosten sowie die Unwissenheit von Burgbesitzern und Handwerkern und forderte eindringlich eine Dokumentation des Ist-Zustandes vor verändernden Eingriffen. Aber auch die Untrennbarkeit von Boden- und Baudenkmal war ihm bewusst. Das interdisziplinäre Arbeiten von Archäologie, Bauforschung, Kunstgeschichte und Geschichte ist eine aufwändige, aber zugleich zwingende Voraussetzung der Burgenforschung, der sich der Verein FIALE bei seinen Projekten (Steinschloss, Eppenstein und Frauenburg) umfassend widmet.
Summary
The founding father of castle archaeology in Austria – Josef Von Scheiger – set down a modern view of the conservation of monuments as early as the mid-19th century, particularly with regard to castles. He wrote about subjects, which are still very much up-to-date, such as the high costs involved and the lack of knowledge of castle owners and craftsmen, and energetically promoted the documentation of monuments in advance of building work. He also realised that archaeology and buildings research could not be separated. The interdisciplinary collaboration of archaeology, standing buildings analysis, art history and history is an elaborate, but nevertheless very definite precondition of castles studies to which the society FIALE dedicates itself in its various projects (Steinschloss, Eppenstein and Frauenburg).
Claudia Theune, Soziale Identitäten und Regionalitäten in der Archäologie des Mittelalters
Zusammenfassung
Fragen zur Identität von Einzelpersonen oder Gruppen werden von Laien und Fachkollegen häufig in der Archäologie gestellt. Das Erkenntnisinteresse zu persönlichen oder kollektiven Identitäten spielt eine wesentliche Bedeutung, wenn wir etwas über die Herkunft von Menschen wissen möchten. In der Vergangenheit beschränkte sich dieses Interesse meist auf ethnische Identitäten und auf Zuordnungen zu sozialen Schichten, also auf soziale Identitäten. Die teils nur recht vagen Beschreibungen von Siedlungsräumen in den schriftlichen Quellen umreißen scheinbar sicher die Wohngebiete völkerwanderungszeitlicher gentes beziehungsweise mittelalterlicher Gesellschaften und betonen so eine mehr oder weniger abgegrenzte Regionalität. Auf der Basis dieser Textdokumente wurden vielfach von Archäologen Siedlungsgebiete umrissen, ohne alle vorhandenen Quellen kritisch zu analysieren. Kartierungen von spezifischen Objekten, die mehr oder weniger den schriftlich überlieferten Siedlungsgebieten entsprachen, wurden als Bestätigung angefügt. Die Verbindung von spezifischen Funden mit einer sozialen Oberschicht ist ein zweites lang tradiertes Forschungsfeld. In erster Linie werden qualitätvolle Objekte aus Edelmetallen, Reitzubehör und Rüstungsbestandteile einer hoch stehenden sozialen Schicht oder einer örtlichen, regionalen oder landesherrschaftlichen Elite zugesprochen. Ähnlich werden komplette Fundensembles, etwa von Burgen, dem dort ansässigen Adel zugewiesen. Daneben gibt es jedoch zahlreiche weitere gesellschaftliche oder soziale Identitäten, die weniger Aufmerksamkeit in der Forschung finden. Jeder Mensch besitzt mehrere – etwa soziale, religiöse, geschlechtliche oder altersbezogene – Identitäten, die sich im Lauf seines Lebens beziehungsweise durch den Tod ändern und wechseln können. Weitere mögliche Forschungen könnten auf die zumindest in einigen Bereichen und zu einigen Zeiten vorhandene Durchlässigkeit vergangener Gesellschaften abzielen oder die Komplexität von kleineren Siedlungs- oder Bestattungsgemeinschaften, etwa Burg- oder Klostergemeinschaften, in den Fokus stellen. In diesem Beitrag sollen die Leitfragen und Schlussfolgerungen zu Identitäten und Regionaliäten archäologischer Komplexe der vergangenen Jahre, neue Forschungsansätze und deren Erkenntnismöglichkeiten im Vordergrund stehen.
Summary
Archaeology is often confronted with questions about individual and group identity. Both scholars and the public repeatedly express great interest in this topic. Collective and personal identities play a crucial role, especially when we try to explore a person’s or a group’s origins. Previous research has mainly focussed on ethnic identities or social identities with reference to social rank. Antique and medieval texts often describe territories and settlement areas of the migration-period gentes or medieval society in an ostensibly precise manner thus conveying an impression of more or less well defined regionalities. When scrutinized critically however, most of these descriptions turn out to be relatively vague at best. For a long time archaeologists used such texts extensively to identify settlement areas without conducting a critical comparison with other textual records or archaeological sources. Find distributions of specific objects that corresponded to a greater or lesser extent with the described settlement areas were presented in support of the accuracy of the written records. In some cases it appears as if the objectives of such find distributions were predetermined or at least considerably influenced by the contents of the written sources. Another firmly established practice in archaeology is the identification of social elites by defining certain objects as distinct markers of social rank. Objects made from precious metals, riding equipment and weaponry are particularly likely to be attributed to people of high social rank or local, regional or territorial lordship. Similarly, complete ensembles of finds, for example from castles, are interpreted as solely belonging to the nobility resident there. By contrast, there are numerous other social identities that have received considerably less attention from scholars. Every person has multiple identities that can change in the course of a lifetime or after death, be they social, religious, gender or to do with age etc. One possibility for future research is to engage more intensively with the permeability of social boundaries at certain times and in certain circumstances or to focus on the internal complexity of small settlement and burial communities, for example in castles or monasteries. This paper seeks to review key questions and concepts that have been employed in the past in approaching identity and regionality in archaeological contexts and to discuss current approaches, possibilities and limitations.
Stefan Eichert, Archäologie und ethnische Identitäten – das Fallbeispiel Kärnten
Zusammenfassung
Ethnische Identität spielt in Kärnten eine große tagespolitische Rolle und beeinflusst auch die archäologische Forschung, speziell zum Frühmittelalter, und vice versa. Ethnische Identität basiert jedoch weniger auf biologischen und geschichtlichen Tatsachen, sondern vielmehr auf einem kollektiven Glauben an diese. Die gemeinsame Geschichte der betreffenden ethnischen Gruppen wurde ab der frühen Neuzeit „konstruiert“ und wirkte identitätsstiftend. Speziell in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die ethnischen Identitäten Kärntens im Sinn Kossinnas auch mit der archäologischen Forschung verknüpft. Dieses Geschichtsbild, welches nach wie vor im öffentlichen Bewusstsein besteht, unterscheidet sich von jenem der aktuellen wissenschaftlichen Forschung. Dennoch beeinflussen sich beide gegenseitig. Heutige ethnische Verhältnisse werden – bewusst oder unbewusst – für die Rekonstruktion vergangener herangezogen und das dadurch imaginierte Bild historischer, ethnischer Identitäten – also der eigenen Geschichte – formt das zeitgenössische ethnische Bewusstsein. Die wissenschaftliche Forschung sollte sich dieser Ebenen, Mechanismen und Wechselwirkungen bewusst sein, um erstens eine möglichst hohe methodische Qualität zu gewährleisten, sich zweitens nicht politisch/ideologisch instrumentalisieren zu lassen und drittens ihre Ergebnisse neutral und unbefangen der nichtwissenschaftlichen Öffentlichkeit vermitteln zu können.
Summary
Ethnic identity is a very important issue in Carinthia. It has great influence on archaeological research while archaeological research in its turn influences current ethnic identities. As many recent scientific treatises have shown, ethnic identities are not based on biological or historical facts, but on collective beliefs in them. The common histories of the various ethnic groups were „constructed“, mainly in the Ages of Enlightenment and Romanticism, and became the backbone of the creation of the different national consciousnesses. In the first half of the 20th Century in particular, these conceptions of history were combined with archaeological research within a methodological framework in the sense of Gustaf Kossinna. Although these ideas differ greatly from present scientific opinion, they still interact with science today. Contemporary ethnic circumstances – be it unconsciously or consciously – are projected back to the Early Middle ages and the thus imagined conception of ethnic groups in the past forms present day common identities. The scientific community should be aware of these different layers and interdependencies, in order, firstly, to guarantee a high methodical quality, secondly, not to be exploited ideologically and, thirdly, to communicate its results to a non-scientific public in a neutral and unbiased way.
Barbara Hausmair, Gender – Alter – Lebensverlauf. Alters- und geschlechtsbezogene Identitäten im mittelalterlichen Bestattungsritual
Zusammenfassung
Die Beziehung von geschlechtsdeterminierten Identitäten zu sozialem Alter und ihre Wandelbarkeit im Kontext sozialer Umfelder und Interaktion wurden in den letzten Jahren besonders in den Sozialwissenschaften vermehrt diskutiert. Geschlechter- und Altersidentitäten sind keine statischen Entitäten, sondern mehrdimensionale Konstrukte, die in Abhängigkeit zum Lebensstatus einer Person eine große Flexibilität aufweisen. In vielen Bereichen der Ur- und Frühgeschichtsforschung werden Bestattungen für alters- und geschlechtsbezogene Untersuchungen herangezogen. In Korrelation mit humananthropologischen Untersuchungen bieten sie eine breite Informationsbasis für die Genderforschung. Für die Archäologie des Hoch- und Spätmittelalters trifft dies allerdings nur bedingt zu, da die Bestattungen in diesen Epochen oft nur wenige Beigaben aufweisen. In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten der Gräberarchäologie für die Untersuchung unterschiedlicher Ebenen alters- und geschlechtsbezogener Identitäten im Mittelalter am Beispiel von Bestattungen früh verstorbener Kinder und christlicher Priester diskutiert.
Summary
The relationship of gender-determined identities to age, as well as their ability to change in the context of social interaction has been a core concern in the social sciences. Gender and age-based identities are not static entities, but multi-dimensional, complex constructs that emerge from a person’s growing and changing experiences during the life course. Pre- and protohistoric archaeology have built age and gender-focussed research mainly on the basis of burials. Together with osteological data from skeletal material these burials provide a substantial information base in dealing with questions of age and gender. Medieval archaeology, however, has not scrutinized burial data from such a perspective to the same extent, since most graves from the High and Late Middle Ages do not contain any grave goods at all or are only equipped with a few artefacts at best. This paper seeks to discuss the possibilities of mortuary archaeology in the investigation of age-and gender-based identities in the Middle Ages using as an example the burials of Christian priests and of children who died at an early age.
Ronald Kurt Salzer, Große Politik im Kleinen. Funde mit herrschaftlich-politischem Hintergrund aus der Burg Grafendorf in Stockerau (Niederösterreich)
Zusammenfassung
In der Burg Grafendorf (Niederösterreich) kamen zwei außergewöhnliche archäologische Funde zum Vorschein, deren politischer Sinngehalt sich erst im Verein mit heraldischen und schriftlichen Quellen voll erschließt: Einerseits treten bei beiden Objekten Wappen auf, welche sich auf das habsburgische Herrscherhaus zurückführen lassen, andererseits sind in der Besitzergeschichte der Wehranlage mit Andreas Krabat von Lappitz und den Freiherren von Zelking eine Reihe von Inhabern mit eingen Kontakten zu den Habsburgern fassbar. Der erste Fund, eine mit dem österreichischen Bindenschild verzierte Kachel, datiert in das späte 15. Jahrhundert und war Teil eines dekorativen Kachelofens. Die Verwendung dieses Wappens stellt ein bewusstes Treuebekenntnis zum Landesfürsten dar; der Gebrauch von landesfürstlichen Wappen auf Kachelöfen dürfte zudem mit einem besonders hohen Prestige des Auftraggebers einhergegangen sein. In Österreich sind bislang nur zwei archäologische Beispiele für derlei Kacheln aus Burgen bekannt. In beiden Fällen kommen habsburgische Günstlinge als Besitzer in Frage. Der zweite Fund, ein Formmodel mit Habsburgerwappen, ist nicht nur ein bemerkenswertes Zeugnis für adelige Festtagskultur in einer spätmittelalterlichen Burg, sondern auch ein einzigartiger archäologischer Nachweis für habsburgische Propaganda, die auf Festgebäck als Projektionsfläche sowie auf den an Festen teilnehmenden Adel als Adressaten und Mitwirkenden der politischen Inszenierung setzte. Viele Indizien führen zu der Vermutung, dass diese raffinierte Methode der Propagierung des Machtanspruchs der Habsburgerdynastie auf Kaiser Maximilian I. zurückgeht. Dank des Wappenmodels gelang es nun erstmals auch der Archäologie, das Streben dieses Herrschers nach einem bleibenden Gedächtnis zu dokumentieren und sogar um eine bislang unbekannte Facette zu bereichern.
Summary
The castle of Grafendorf (Lower Austria) has produced two exceptional finds, the political meaning of which only becomes fully clear with the help of heraldic and written sources. On the one hand, both objects feature coats of arms that can be traced to the ruling house of Hapsburg, on the other, the history of the fortification includes several owners – Andrew Krabat of Lapitz and the barons of Zelking – with close ties to the Habsburgs. The first find, a tile decorated with the Austrian coat of arms, is dated to the late 15th century and was part of an ornamental tiled stove. The use of this coat of arms is a deliberate profession of faith to the sovereign and also points to the considerable prestige of the customer. Only two archaeological examples for such tiles are known in Austria so far. In both cases Hapsburg protégés are thought to have been the owners. The second find, a baking mould with the Hapsburg coats of arms, not only is a remarkable proof of aristocratic banqueting culture in a late medieval castle, but also a unique testimony to Hapsburg propaganda, which employed festive confectionary as a projection surface and the participating aristocracy as both addressees of and contributors to this political performance. Many factors indicate that this shrewd method of promoting the claim to power of the Hapsburg dynasty can be traced back to Emperor Maximilian I. Thanks to this mould, archaeology has for the first time been able to document this monarch’s pursuit of a lasting memory (memoria or Gedächtnis) and even to enhance it with an unknown facet.
Christina Schmid, Verpflichtet Adel? Zur Frage einer Definition „adeliger“ Sachkultur
Zusammenfassung
Zahlreiche Studien zur sozialen Identifizierbarkeit archäologischen Fundmaterials zeigen mittlerweile, dass eine klare Trennung des Fundmaterials in zwei soziale „Welten“ nicht zulässig ist. In den Hinterlassenschaften von Haushalten sind aber durchaus unterschiedliche Ausstattungsmuster nachweisbar. Schrifthistorische Quellen weisen darauf hin, dass sich hier unterschiedliche ökonomische beziehungsweise soziale Gruppen über ihren materiellen Niederschlag abbilden. Für großflächige Untersuchungen dieser Art stehen in Österreich derzeit noch zu wenige publizierte Befunde und schrifthistorische Quellen zur Verfügung. Die aus der Anwendung sozialtopografischer Methoden gewonnenen Aussagen basieren auf einer sehr kleinen Datenbasis und sind daher noch nicht als statistisch aussagekräftig einzustufen. Ein Vergleich von Fundmaterialien aus dem als überwiegend „nicht-adelig“ angenommenen ländlichen Bereich und den überwiegend „adeligen“ Burgen zeigte, dass sich nur wenige Objektgruppen ausschließlich beziehungsweise früher auf den Adelssitzen finden. Offenbar unterschied sich die Haushaltsausstattung einer kleinen hochmittelalterlichen Burg nur in wenigen Aspekten von jener eines bäuerlichen Haushalts. Erst für das Spätmittelalter scheint sich im Fundmaterial eine weitere Differenzierung anzudeuten.
Summary
Several studies dealing with the possible social identification of archaeological finds have shown that it is not feasible to allocate finds to two distinct social “worlds”. Analyses of household remains, concentrating on objects defined on specific criteria as “outstanding”, indicate the existence of diverging patterns in household equipment, however. Written sources show that different economic or social groups are likely to have left their footprint in archaeological material. Due to a lack of published archaeological and historical sources, studies like these have not yet been carried out in Austria on a large scale. Results derived from the application of social topographic methods are so far based on a very small sample and are therefore not yet statistically relevant. A comparison of potential “non-noble” finds material from rural areas and “noble” finds material from castles shows that only few groups of objects are to be found exclusively or at an earlier date at castles. It seems that the household equipment of a small manorial site in the High Middle Ages does not differ widely from that of a peasant’s household. A higher degree of differentiation in material culture is only apparent in the Late Middle Ages.
Beatrix Nutz, Dressed to the nines. Kleidung zur Identifikation des sozialen Standes
Zusammenfassung
Basierend auf den archäologischen Textilfunden des 15. Jahrhunderts aus Schloss Lengberg (Osttirol) stellt diese Arbeit einige Methoden der Textilarchäologie vor und beschäftigt sich mit der Frage, wie man mit ihrer Hilfe Rückschlüsse auf den sozialen Rang der einstigen Eigentümer gewinnen kann. Anhaltspunkte für die Zuordnung werden durch Materialanalysen, Qualitätsmerkmale, Farbgebung sowie Materialverbrauch und Aufwand bei der Verarbeitung gewonnen. Nicht außer Acht zu lassen ist hierbei der Vergleich mit Schrift- und Bildquellen des Mittelalters und vollständig erhaltenen Kleidungsstücken in Museen und Kirchenschätzen. Obwohl auf diese Weise nur Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können, wird aus dem Fundmaterial von Lengberg doch die Zugehörigkeit der Burgbewohner zu unterschiedlichen sozialen Schichten deutlich.
Summary
Based on the 15th century archaeological textile finds from Lengberg Castle (East Tyrol), this study introduces the methods applied in textile archaeology and shows how they may help to draw conclusions about the social rank of the former owners of the textiles. Such conclusions are based on material analysis, the quality, colour and use of the materials and the effort involved in processing them. Medieval written and pictorial sources and completely preserved garments in museums and church treasuries are also very important sources. The conclusions reached can only be probabilities, but, nevertheless, the finds from Lengberg shed light on the different social classes inhabiting a medieval castle.
Christiane Kärcher, Mittelalterliche Klosterarchitektur als archäologischer Befund am Beispiel des Zisterzienserstiftes Rein, Steiermark
Zusammenfassung
Das Zisterzienserkloster Rein wurde 1129 von Herzog Leopold I. gestiftet. Von 2004 bis 2006 fanden im Zuge eines Revitalisierungskonzeptes Grabungen im Bereich des ehemaligen Kreuzgangs und des Osttraktes des Alten Konvents statt. Dabei konnte ein an den Südtrakt des Klausurquadrates anschließendes, quadratisches romanisches Brunnenhaus erfasst werden, das später von einem polygonalen gotischen mit verbesserter Wasserführung abgelöst wurde. Bei den Grabungen innerhalb des Osttraktes konnte unter anderem der östliche Bereich des quadratischen Kapitelsaales ergraben werden. Innerhalb des ergrabenen Teils des Kapitelsaales wurden auch drei Grablegen aufgedeckt, deren mittlere von den Reiner Mönchen als sogenanntes „Stiftergrab“ bezeichnet wurde und als einzige Beigabe eine metalldurchwirkte Borte besaß. In der Grabverfüllung fanden sich neben Flachglas, Butzenscheibenfragmenten und einer Messerklinge vier honiggelb glasierte, mit Reliefstempeln verzierte Bodenfliesen, die auf die Zeit um 1200 datiert werden können.
Summary
Leopold I. founded the Cistercian monastery at Rein in 1129. Excavations prompted by a renewal plan took place in the area of the former cloisters and in the east wing of the old convent from 2004 to 2006. These led to the discovery of a square Romanesque well house built against the south wing of the cloisters, which was later replaced by a polygonal Gothic version with a better water supply. The excavations in the east wing revealed among other things the eastern part of the square chapter house. Three graves were discovered in the excavated part of the chapter house. The central grave was described by the monks at Rein as the “Founder’s Grave” and contained only one grave good, a perforated casing. The grave fill contained not only sheet glass, bull’s eye panes and the blade of a knife, but also four yellow relief-moulded floor tiles, which date to around 1200.
Robert Baier und Thomas Kühtreiber, Pilgerzeichen aus Österreich – Pilgerzeichen aus österreichischen Wallfahrtsstätten. Anmerkungen zum Forschungsstand
Zusammenfassung
Im Vergleich zur internationalen Forschung war die Beschäftigung mit Pilgerzeichen in beziehungsweise aus Österreich bislang auf Einzelstudien limitiert, wobei sich die Beschäftigung weitgehend auf museal überlieferte Objekte beschränkte. Dementsprechend fanden diese bislang in erster Linie in numismatischen und volkskundlichen Werken Erwähnung, während eine zusammenfassende archäologische Untersuchung erst in jüngster Zeit erfolgte. Die im internationalen Vergleich geringe Anzahl an Objekten ist zum einen den Bodenverhältnissen geschuldet (vor allem die aus Weißmetall gefertigten Pilgerzeichen haben bessere Erhaltungschancen in Feuchtböden, wie sie in Nordwesteuropa vorherrschen), zum anderen aber auch Ausdruck der vergleichsweise geringeren Grabungsintensität in Österreich. Die Diskrepanz zwischen dem – theoretischen – Status von Pilgerzeichen als Massenquelle gemäß ihrer aus den Schriftquellen erschließbaren Distribution und der tatsächlichen Überlieferung stellt eine methodische Herausforderung dar. Anhand der derzeit bekannten 79 Pilgerzeichen aus dem Gebiet des heutigen Österreichs beziehungsweise aus österreichischen Wallfahrtsorten sollen die Möglichkeiten und Grenzen einer statistischen Auswertung mit zahlenmäßig limitiertem Fundmaterial ausgelotet werden. Dafür werden insbesondere die unterschiedlichen Überlieferungsstränge quellenkritisch herangezogen.
Summary
In contrast to the situation elsewhere, up till now the analysis of pilgrims’ badges in and from Austria has been limited to only a few isolated studies. Almost all the objects looked at belonged to museum collections. The badges were therefore most often mentioned in numismatic and ethnographic works, so that archaeological research aimed at drawing general conclusions has only taken place very recently. The lack of known objects in comparison to other countries is in part the result of sediment conditions (enamel and similar substances have a better chance of survival in the marshy sediments of north-western Europe), but also partly due to the relative rarity of excavations in Austria. The discrepancy between the – theoretical – status of pilgrims’ badges, based on written sources, as widely distributed objects on the one hand, and their actual scarcity on the other, is a methodological challenge. Taking as its starting point the 79 pilgrims’ badges found in or originating from Austria, the paper examines the possibilities and limitations of statistical analysis based on relatively few finds. The source material is critically discussed in the process.
Miriam Krög, Das Bauopfer als Ausdruck ambivalenten religiösen Verhaltens im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
Zusammenfassung
Das Bauopfer ist ein Paradebeispiel für den Bereich des „Alltagsglaubens“, welcher für die Wissenschaft aus diversen Gründen schwer zu handhaben und kaum in seiner Gesamtheit zu erfassen ist. Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, dass die Forschungsergebnisse bisher insgesamt wenig zufriedenstellend ausfielen. Der Ritus des Bauopfers war und ist seit dem Neolithikum rund um den Globus weit verbreitet und nahm auch in Mittelalter und Neuzeit einen hohen Stellenwert im Denken der Menschen ein. Dabei trat er in zahllosen unterschiedlichen Ausformungen in Erscheinung, die sich dennoch auf gemeinsame Hintergründe und zugrunde liegende Vorstellungen zurückführen lassen. Besonders spannend ist die Beziehung dieser „abergläubischen“ Praktik zur „institutionalisierten Religiosität“ der christlichen Kirche, zu welcher sie üblicherweise nicht etwa in Konkurrenz stand, sondern vielmehr als Volksbrauchtum toleriert wurde. Im Lauf der Zeit kam es sogar zu einer gewissen christlichen Beeinflussung des Bauopfers. In der Erforschung des Volksbrauchtums spielt die Archäologie eine tragende Rolle, da sie häufig die einzigen diesbezüglichen Quellen liefert.
Summary
Building sacrifices are a great example of religious practices which are usually carried out in privacy. Such practices take place in locations other than churches or similar “institutions” without “professional” clerics or suchlike and are usually very individual, both in belief and in actual practice. Due to reasons such as the high variance in individual practices, anyone trying to explore this field has difficulties acquiring broadly-based information. This may be the reason why there is not much material on this subject, apart from collections of examples. Building sacrifices are a practice which, in a huge variety of ways, occurred throughout human history. However, most interestingly, they can all be reduced to the same core beliefs. Building sacrifices are offerings of any sort of objects for the benefit of a building and the individuals inhabiting it. Usually they are included in the building in some way, in most cases during its construction but sometimes later (or both, as there can be different such objects in the same building). Their purpose is either to placate a spirit whom the building disturbed or to protect the building and bestow upon it good wishes for the future. The belief behind it is that the sacrifice contains a certain power which it transmits to the building.