(23. Jänner 1922 – 26. Oktober 2019)
Vor kurzem erreichte uns die Nachricht, dass Kurt Bors am 26. Oktober 2019 hoch betagt im 98. Lebensjahr verstorben ist. Er konnte auf ein äußerst aktives Leben zurückblicken und er hat vorgemacht, dass es auch nach der Pensionierung möglich ist, einer sinnvollen Tätigkeit (wie es er in einem Schreiben 2009 selbst ausdrückte) mit sehr großem Erfolg nachzukommen.
Kurt Bors wurde 1922 in Wien geboren. Nach Ableistung des Kriegsdienstes setzte er sein Studium in den Fächern Geografie, Leibesübungen und Psychologie fort und beendete es mit einer Dissertation über ein psychologisches Thema. Sein Berufsleben verbrachte er als AHS-Lehrer, 1976 wurde ihm der Berufstitel Oberstudienrat verliehen. Daneben engagierte er sich in mehreren ehrenamtlichen Tätigkeiten in Sportbereichen und im Alpenverein.
Nach seiner Pensionierung suchte er ein neues Aufgabengebiet und fand dies 1982 bei einem Besuch der Grabung Hard bei Thaya, die damals von Fritz Felgenhauer geleitet wurde. Dieser hatte sich in den 60er und 70er Jahren der Mittelalterarchäologie besonders zugewandt und ein Archiv für Mittelalterarchäologie aufgebaut, in dem die Erforschung abgekommener Dörfer, sogenannter Wüstungen, ein wichtiges Teilgebiet bildete. Nach dem Vorbild der „Deserted Medieval Village Research Group: Fieldwork Questionnaire“ in Großbritannien waren für Außenmitarbeiter die sogenannten Wüstungsblätter entwickelt und adaptiert worden, also Fragebögen zur Aufnahme neu entdeckter Wüstungsplätze. Als Grundlagen dienten das Wüstungsverzeichnis im Historischen Ortsnamenbuch von Niederösterreich und die Karten im Maßstab 1: 50.000, auf denen Heinrich Weigl vermutete Standorte eingetragen hatte. Mit diesen Voraussetzungen machte sich Kurt Bors sofort begeistert an die Arbeit und arbeitete sich von Beginn an sehr systematisch in das Thema ein. Nach einigen Jahren der Mitarbeit wurde ihm 1986 das Wüstungsarchiv zur Betreuung übergeben.
Als Geograf hatte Kurt Bors den nötigen Blick für die Naturlandschaft und brachte diesen Mehrwert auch gleich in seine Arbeit ein, als er seine erste Publikation „Archäologisch-geographische Geländeforschung nach mittelalterlichen Ortswüstungen in der Marktgemeinde Sieghartskirchen“ betitelte. Außerdem war er intensiv bestrebt, sich in die Datierung der mittelalterlichen Keramik einzuarbeiten, indem er anfangs alle seine Funde in das damalige Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien brachte, wo sie dann gemeinsam besprochen wurden. Seine ungeheure Arbeitskraft zeigt sich schon bald als Niederschlag in den „Fundberichten aus Österreich“, wo er jährlich durchschnittlich 20 neu entdeckte Wüstungsplätze vorstellte. Darüber hinaus publizierte er Einzelergebnisse und Übersichtsarbeiten in der „Österreichischen Zeitschrift für Mittelalterarchäologie“ und in den prominenten historischen Publikationsorganen von Niederösterreich.
Von Anfang an ging Kurt Bors kritisch und systematisch an die Arbeit und legte seine Methoden zur Verifizierung von Wüstungsstandorten durch ein Stufenmodell von „wahrscheinlich“ bis „sicher“ vor. Ein großer Pluspunkt seiner Arbeitsweise war, dass er bewusst gebietsbezogen arbeitete, also bestimmte sinnvolle Regionen in toto bearbeitete (z. B. das Obere Waldviertel, insbesondere den Thaya-Raabs-Raum, Sieghartskirchen, Neulengbach bis zum westlichen Wienerwald, das Lange Thal bei Hollabrunn, den Raum Lichtenau im südlichen Waldviertel). Dadurch kam er auch bald zu siedlungsgenetischen Fragestellungen und setzte sich infolge mit der bisherigen Literatur zum mittelalterlichen Dorfbild, insbesondere mit den Arbeiten von Adalbert Klaar, aber auch mit der internationalen Literatur, kritisch auseinander. Das führte dazu, dass er auch zunehmend die Darstellungen im Franziszäischen Kataster heranzog, nicht nur das Dorf- und Flurbild, sondern auch die Angaben zur sozialen und gesellschaftlichen Qualität der Bewohner in den zugehörigen Protokollen und zur Verteilung ehemaliger Fluren von Wüstungen in weiter bestehenden Ansiedlungen. Eine große, zusammenfassende Arbeit erschien schon 1998 als Band 25 der „Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde“, nämlich „Neue Perspektiven zur Siedlungsgeschichte des nördlichen Waldviertels“. Kurt Bors entwarf schließlich ein verhältnismäßig regelhaftes Entwicklungsschema der ländlichen Siedlungslandschaft, das herrschaftliche Höfe und einzeilige Dörfer als Gründungs- und Frühformen postulierte. Inwieweit diese verallgemeinernde Sichtweise Bestand haben wird, müssen weitere, insbesondere archäologische Forschungen, zeigen.
Insgesamt hat Kurt Bors über 400 Wüstungen in Niederösterreich aufgefunden und bearbeitet, einige auch im Burgenland. Eine große Leistung waren auch die nun jeweils auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie digitale, für jedermann abrufbare Auflistung seiner Ergebnisse und die Lagedarstellungen zu den meisten Wüstungsplätzen.
Viele seiner Erkundungen im Gelände hat Kurt Bors mit seiner Frau Christine durchgeführt. Er hatte ein großes kommunikatives Talent und auch die Gabe, die jeweiligen Grundbesitzer von seinem Anliegen zu überzeugen. So konnte er problemlos seine immer systematischen Begehungen durchführen. Durch diese lückenlose Begehungsarbeit gelang es ihm auch, in der Nähe von Raabs an der Thaya, in Oberpfaffendorf auf der Flur Sand, Funde des 10. Jahrhunderts zu entdecken, die in der Folge zu den Ausgrabungen einer Burganlage führten. Ich konnte ihm, der bis zuletzt seine geistige Frische bewahrt hatte, im Sommer die Publikation über die Grabung überreichen und freue mich, dass das noch möglich war.
Im Raabser Grenzlandmuseum hat er 1998–2000 auch einen Raum mit den Ergebnissen seiner Wüstungsforschung (58 Wüstungen in der Katastralgemeinde Raabs an der Thaya) eingerichtet. Darüber hinaus hat er immer wieder Referate gehalten und Exkursionen in verschiedenen Verwaltungsbezirken durchgeführt, um seine Theorie und Praxis der Ortswüstungsforschung einem breiteren Publikum näher zu bringen. Im Jahre 2000 erhielt er die Ehrennadel der Stadt Raabs sowie eine Medaille für Verdienste um die Erwachsenenbildung des Niederösterreichischen Bildungs- und Heimatwerks, 2002 wurde ihm das goldene Ehrenzeichen für hervorragende Verdienste um das Bundesland Niederösterreich durch die Niederösterreichische Landesregierung verliehen.
Kurt Bors war von Beginn an eng mit der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie verbunden, als Gründungsmitglied und dann als Kassier bis 1988. Im Jahre 1994 wurde er wegen seiner großen Verdienste zum Korrespondierenden Mitglied ernannt, 2016 zum Ehrenmitglied. Bei der internationalen Tagung 2008 in Thaya zu dem Thema „Lebenswelten im Ländlichen Raum“ hielt er einen Vortrag über „Alternative Wege zur siedlungsgenetischen Forschung“ und beeindruckte das Publikum auch durch seine ungeheure Vitalität. Er hat als Spätberufener Großartiges geleistet und seine Arbeiten werden immer wieder als Grundlage für weitere Forschungen herangezogen werden.
Kurt Bors, Zur Ortung von Wüstungen im Gelände. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 1, 1985, 1–14.
Kurt Bors, Archäologisch-geographische Geländeforschung nach mittelalterlichen Ortswüstungen in der Marktgemeinde Sieghartskirchen, VB Tulln, NÖ. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich, Beiheft 1, Wien 1986.
Kurt Bors und Karl Krchnawy, Die Keramik des 1529 zerstörten Klosters St. Laurentio. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 2, 1986, 59–72.
Kurt Bors, Die archäologisch-geographische Geländeforschung nach mittelalterlichen Ortswüstungen. Unsere Heimat 58/3, 1987, 173–188.
Kurt Bors, Wüstungsforschung um das "Lange Thal" bei Hollabrunn. Unsere Heimat 59/4, 1988, 328–355.
Kurt Bors, Probleme der Wüstungsforschung. Unsere Heimat. 60/3, 1989, 175–197.
Kurt Bors, Die Keramik des Klosters S. Maria in Paradyso (St. Laurentio) bei Ried am Riederberg, NÖ., Bergung 1988. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 6, 1990, 25–42.
Kurt Bors, Die Ortswüstungen im Raume um Thaya, ein Bericht zur Forschungslage. Arbeitsberichte des Kultur- und Museumsvereines Thaya 1/2/1990, 371–376.
Kurt Bors, Theorie und Praxis der Ortswüstungsforschung. Unveröffentlichtes Seminarmanuskript, Wien 1990.
Kurt Bors, Wüstungsforschung. Beilageblatt zum Mitteilungsblatt der ARGE Heimatforschung 59, Wien 1991, 21–22.
Kurt Bors, Ortswüstungen in Mittelburgenland. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 7, 1991, 53–67.
Kurt Bors, Die verschwundenen Ortschaften im kleinen Göllersbachtal und in dessen nördlicher Nachbarschaft. In: Josef Weichselbraun, Heimatbuch von Enzersdorf im Thale und Kleinkadolz, o. J., 465–504.
Kurt Bors, Systematische, gebietsbezogene Ortswüstungsforschung (Die Arbeitsgebiete „Wiener Becken“, „Gerolding“ und „Sieghartskirchen“). Unsere Heimat 62/3, 1991, 230–269.
Kurt Bors, Mittelalterliche Wehranlage und Siedlungen beim Nikolaitor im Lainzer Tiergarten in Wien. Fundberichte aus Österreich 30, 1991, 7–27.
Kurt Bors, Die Ortswüstung Muchersdorf. Sancta Crux, Zeitschrift des Stiftes Heiligenkreuz 53/10, 1992, 73–80.
Kurt Bors, Glasierte Keramik in Ortswüstungen. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 10, 1994, 5–22.
Karl Fahringer und Kurt Bors (Hrsg.), "Wiederentdeckt" – Wüstungen und aufgelassene Höfe (Historisches und Archäologisches). Allhang, Groissau, Hainbach, Hainbuch, Hohleiche, Pitzelsdorf. Mauerbacher Beiträge 5, Mauerbach 1995.
Kurt Bors, Ortswüstungen im nordwestlichen Wienerwald. Unsere Heimat 67/3, 1996, 206–225.
Kurt Bors, Der Persenslager Hof – eine Nachbarsiedlung von Walthers. In: Vereinsmitteilungen der Forschungsgemeinschaft „Walther von der Vogelweide – ein Waldviertler“ 6, Groß Haslau 1997, 66–67.
Kurt Bors, Grassaw minor und maior, KG Grossau, NÖ. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 13, 1997, 5–20.
Kurt Bors, Neue Perspektiven zur Siedlungsgeschichte des nördlichen Waldviertels. (Archäologisch-geographische Untersuchungen im Raum Raabs/Karlstein/Thaya). Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 25, Wien 1998.
Kurt Bors, Ortswüstungsforschung sowie die Beschreibung der Ortswüstungen Laa Nord und Schrabatz Nord. In: Vereinsnachrichten des Vereins für Geschichte von Neulengbach und Umgebung, Ausgabe 6, April 1998.
Kurt Bors, Der Weiler Oed – Die Nachfolgesiedlung eines mittelalterlichen Dorfes. In: Altlengbacher Chronik. Altlengbach 1998, 96–97.
Kurt Bors, Geographisch-archäologische Forschungsergebnisse zur Siedlungsgeschichte des Waldviertels. Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 26, Wien 1999, 271–291.
Kurt Bors, Die 58 verschwundenen mittelalterlichen Dörfer und Höfe der Raabser Katastralgemeinden. In: Kurt Bors und Sabine Felgenhauer-Schmiedt, Geschichte aus dem Raabser Boden. Raabs 2000, 5–70.
Kurt Bors, Die urzeitlichen bis frühmittelalterlichen Siedlungsstellen. In: Kurt Bors und Sabine Felgenhauer-Schmiedt, Geschichte aus dem Raabser Boden. Raabs 2000, 71–86.
Kurt Bors, Die verschwundenen Dörfer und Höfe im Raum Karlstein. Unsere Heimat 70/4, 1999, 256–284.
Kurt Bors, Die Ortswüstung Hadmars. Eine archäologisch und siedlungsgenetisch interessante Fundstelle. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 16, 2000, 5–20.
Kurt Bors, Die verschwundenen mittelalterlichen Siedlungen in der Marktgemeinde Lichtenau bei Gföhl – Die Ergebnisse der geografisch-archäologischen Geländeforschung. Unsere Heimat 72/1, 2001, 5–23.
Kurt Bors, Der herrschaftliche Hof von Puch. Beiträge zur Bezirkskunde Hollabrunn 149, 2001, 604–606.
Kurt Bors, Ortswüstungsforschung im Waldviertel (Die Ergebnisse der Suche nach den verschwundenen mittelalterlichen Ansiedlungen). Das Waldviertel 51/2, 2002, 129–146.
Kurt Bors, Die 58 verschwundenen mittelalterlichen Dörfer und Höfe der Raabser Katastralgemeinden. Unsere Heimat 73/2, 2002, 97–119.
Kurt Bors, Ergebnisse der geografisch-archäologischen Prospektion im Raum Wildungsmauer-Petronell. I) Die mittelalterlichen Ortswüstungen. II) Die wahrscheinlichen römischen Siedlungsstellen westlich des Heidentors. Carnuntum Jahrbuch 2002, 2003, 179–211.
Kurt Bors, Die Entdeckung der "Stadt" Trebense bei Tulln und anderer verschwundener Orte zwischen Absdorf und Hausleiten. Tulln 2003.
Kurt Bors, Der Eisenreichshof südlich von Irnfritz. Das Waldviertel 52/2, 2003, 180–182.
Kurt Bors, Einzelwüstungen in Niederösterreich. Ein Bericht zu 81 verstreut liegenden Fundstellen. Unsere Heimat 74/3, 2003, 180–206.
Kurt Bors, Knöpfe und Rädchenverzierungen aus Ortswüstungen. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich Beiheft 6, 2003, 5–9.
Kurt Bors, Verschwundene mittelalterliche Siedlungen um Pernegg und siedlungsgenetische Überlegungen zu diesem Raum. Das Waldviertel 53/4, 2004, 363–380.
Kurt Bors, Verschwundene Dörfer im Grenzraum der Bezirke Horn und Waidhofen an der Thaya. Das Waldviertel 55/1, 2006, 22–36.
Kurt Bors, Methodische Überlegungen in der Ortswüstungsforschung. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich Beiheft 7, Wien 2007.
Kurt Bors, Neue Perspektiven zur Siedlungsgenese im mittleren Waldviertel. Teil 1. Das Waldviertel 57/3, 2008, 297–351.
Kurt Bors, Neue Perspektiven zur Siedlungsgenese im mittleren Waldviertel. Teil 2. Das Waldviertel 57/4, 2008, 435–470.
Kurt Bors, Alternative Wege in der siedlungsgenetischen Forschung. Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Niederösterreich 25, 2009, 175–186.
Kurt Bors, Dokumente zur geografisch-archäologischen Ortswüstungsprospektion in Niederösterreich. In: Claudia Theune, Gabriele Scharrer-Liška, Elfriede Hannelore Huber und Thomas Kühtreiber (Hrsg.), Stadt – Land – Burg. Festschrift für Sabine Felgenhauer-Schmiedt zum 70. Geburtstag. Studia honoraria 34, Rahden/Westf. 2013, 101–110.
Kurt Bors, Interpretationen zur mittelalterlichen Siedlungsgenetik des westlichen Weinviertels. In: Gerhard Hasenhündl, Der Wilde Osten vor 1000 Jahren. Von Hausbergen und verschwundenen Dörfern. Hollabrunner Museumsverein 2018, 149–214.
[Dieser von Sabine Felgenhauer-Schmiedt verfasste Nachruf erscheint in den „Beiträgen zur Mittelalterarchäologie in Österreich“, Band 35, 2019]